Mikropolitik lässt sich nicht vermeiden
Halte dagegen – egal ob im Projektumfeld positive oder negative Effekte überwiegen
Völlig egal, welche Art von Projekt du gerade verantwortest. Fakt ist, dass neben dem ganzen Projektmanagementwissen zu Methodiken und Werkzeugen, die strategische und politische Komponente immer mehr Platz einnimmt. Politisches Verhalten ist im Projektalltag allgegenwärtig und erfordert von dir als ProjektmanagerIn ein großes politisches Geschick.
Bei den zahlreichen Projekten welche ich selbst durchgeführt habe oder beteiligt war sind mir immer wieder die folgenden maßgeblichen Ursachen für politische Prozesse untergekommen:
- Unsicherheiten in Handlung, Planung und Entscheidungen
Gerade zu Beginn eines Projektes sind die Randbedingungen selten klar formuliert: der Projektauftrag ist vage gehalten oder mit anderen Projektzielen stark verwoben; Es liegen meist unvollständige Informationen vor; die Beteiligten haben keine klaren definierten Aufgaben; die Unterstützung des Projektes durch das Management erfolgt nur oberflächlich.
- Unzureichende Verfügbarkeit von notwendigen Ressourcen (Mitarbeiter, Geld, Zeit, macht)
Als ProjektmanagerIn fehlt dir die hierarchische Macht und damit auch die Autorität, um das Team durch Leistungsbeurteilungsprozesse zu führen. Auch besteht eine Abhängigkeit zu anderen Abteilungen was dazu führt, dass immer wieder um die knappe Ressource Projektmitarbeiter gestritten wird.
- Abhängigkeit von unterschiedlichen Stakeholdergruppen, die häufig sich widersprechende Interessen verfolgen
Die internen und externen Stakeholder haben ganz unterschiedliche Erwartungen und Interessen an das Projekt, oft sind diese dann auch noch widersprüchlich. Hinzukommt, dass einige Stakeholder mächtiger sind als andere und damit auf das Projektmanagement und den Projektverlauf Einfluss nehmen. Als ProjektmanagerIn musst du die Interessen, Ansprüche und Ziele die Stakeholder sorgfältig analysieren, richtig einschätzen, in Einklang bringen und den vielschichtigen Erwartungen gerecht werden, um damit Konflikte zu vermeiden.
Die Projektarbeit erfordert also ein hohes Maß an strategischem und politischem Geschick der ProjektmanagerInnen. Deine Rolle dabei ist es die Macht und den Einfluss in Projekten zu verstehen und mit den aufkommenden Herausforderungen politisch kompetent und effektiv umzugehen.
Diskussionen zu politischen Dimensionen von Projekten sind immer emotionsgeladen und wir alle verfügen über (einschlägige) Erfahrungen. Doch sollten wir den Begriff Politik nur negativ betrachten? Oder Politik eher als allgegenwärtig und alltäglich verstehen? Als ProjektmanagerIn ist es unumgänglich sich mit den häufig unauffälligen Strukturen des politischen Handelns auseinanderzusetzen, denn nur so können sie auch kontrolliert werden.
Was genau ist Mikropolitik ?
Mikropolitisch handeln heißt, durch gezieltes Handeln Andere zu instrumentalisieren, um in organisationalen Ungewissheitszonen eigene Vorstellungen und Interessen erfolgreich geltend zu machen. (Neuberger, O. (2006). Mikropolitik: Stand der Forschung und Reflexion. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 50, 189-202)
Zusammenfassend ist das Ziel von Mikropolitik also der Gewinn von Vorteilen und die Ausweitung der eigenen Handlungsspielräume. Es wird zumeist als negativ, manipulativ und selbstsüchtig verstanden und beschrieben. Neuberger (2006) tritt aber für eine erweiterte Auffassung ein und beschreibt Mikropolitik weder eindeutig als positiv noch eindeutig als negativ. Es ist vielmehr ein alltägliches Verhalten wie das Dehnen von Vorschriften, das Akzeptieren von Notlügen, das gezielte Pflegen bestimmter Beziehungen und das Aussprechen von Komplimenten.
Durch die verschiedenen autonomen Handlungen der einzelnen Personen, die Komplexität der Probleme und der ständige Zeitdruck entstehen zahlreiche Gelegenheiten für mikropolitisches Handeln.
Die Ursachen für das Entstehen von politischen Verhalten sind hauptsächlich in mehrdeutigen und konflikthaften Situationen zu finden.
- Mehrdeutige Situationen sind z.B.
wenn die Zusage von Ressourcen nur vage gehalten wird,
wenn die anderen Abteilungen ihre Unterstützung nur sehr zurückhaltend liefern,
wenn die Interessen der Stakeholder weit auseinandergehen,
wenn Informationen mehrdeutig formuliert werden.
- Konflikthafte Situationen können sein z.B.
wenn die Arbeit durch die Aktivitäten und Entscheidungen anderer erschwert wird,
wenn sich verschiedene Abteilungen, um die knappen Ressourcen streiten.
Geraten wir in solche Situationen werden wir uns mikropolitisch verhalten, um das Erreichen der eigenen Interessen und Ziele zu sichern. Dies kann sich darin äußern, dass wir eine Bedrohung sehen oder eine Chance haben, etwas erfolgreich zum eigenen Vorteil in Angriff nehmen zu können. In jedem Fall werden wir handeln!
Mit den folgenden Tipps möchte ich dir Inspiration geben wie du die Mikropolitik im Projekt verstehen und besser kontrollieren kannst.
Als ProjektmanagerIn bist du schon vertraut mit der
Stakeholderanalyse. Um Konflikte von Anfang an zu vermeiden, solltest du eine genaue Analyse der Belange der Mitglieder des Projektnetzwerkes durchführen und auch eine Abschätzung der politischen Implikationen unternehmen. Es kommt darauf an, dass du erstens abschätzt, welche Stakeholder am wichtigsten sind und zweitens herausfindest, wie die beste Balance zwischen den verschiedenen Bedürfnissen gefunden werden kann.
Erweitern kannst du die Stakeholderanalyse mit einem „
politischen Stakeholdermanagement“ nach Pinto (Pinto, J.K. (1998). Power and politics in project management. Sylvia, NC: Project Management Institute). Hierbei gilt es die folgenden Fragen zu klären:
- Welche Stakeholder sind für das Projekt relevant?
- Wie ist die Beziehung zwischen den Stakeholdern?
- Welche Ziele haben die verschiedenen Stakeholder?
- Welche Ziele schließen einander aus?
- Stehen die angestrebten Ziele im Einklang mit der Strategie des Projektes?
- Gibt es im Geheimen Vorhaben, die es zu beachten gilt („hidden agendas“)?
- Verändert das Projekt die Machtbalance zwischen den verschiedenen Gruppen? Wenn ja, zu wessen Vorteil?
- Wie kann das Projektteam die Unterstützung der verschiedenen Stakeholder erlangen? Welche Beziehungen können hierfür genutzt werden?
Und zum Schluss noch einige generelle "Überlebenstipps":
- Mikropolitik lässt sich nicht vermeiden. Halte dagegen – egal, ob in deinem Umfeld negative oder positive Effekte überwiegen.
- Tritt möglichst nicht als Einzelkämpfer auf, sondern nutze Verbündete, die dir helfen, das Projekt voranzutreiben.
- Knüpfe Beziehungen, vor allem wenn Rivalität und Konflikte das Projekt beherrschen. Verbünde dich mit anderen, um Blockaden zu verhindern.
- Finde Beeinflusser, die größere Macht auf die Akzeptanz und das Verhalten der betroffenen Stakeholder hat.
- Beeinflusse diese Personen so, dass sie die Kernbotschaft des Projektes positiv in das Unternehmen hineinträgt – informell und mit den eigenen Worten.
- Weise Unruhestifter in die Schranken – notfalls mit Unterstützung der Führungskräfte.